16.06.2011

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titelUnter meterdicken Geröllschichten verborgen wird im Gebirge an der Westküste Neuseelands ein Raumschiff entdeckt. Untersuchungen ergeben, dass es vor rund 250.000 Jahren auf der Erde gelandet sein muss. Der Biologe Bernard Lerauld erkundet als Erster das fremde Schiff. Günstige Umweltbedingungen haben das Innere über Jahrtausende hinweg konserviert. Verwunderlich ist das Fehlen von Sterilisationsanlagen in der Schleuse des Flugkörpers. Der Biologe entdeckt neben noch funktionierender Technik das Präparat eines kleinen Bohrkäfers. Der Fund lässt den Wissenschaftler den Herkunftsort des Schiffes erahnen, denn diese Tiere wurden bei früheren Expeditionen auf dem Mars entdeckt.

Zusammen mit der Licteria-Pflanze gelten sie als biologische Anomalie. Beide Organismen passen nicht zur Ökologie des Planeten. Die Bohrkäfer sind als Wärme liebende und UV-Strahlung meidende Tiere bekannt. Für sie angenehme Temperaturen treten nur zur Mittagszeit auf. Zu diesem Zeitpunkt ist die UV-Strahlung aber am höchsten und die Tiere suchen Schutz in Höhlen und Erdspalten. Sie können Temperaturen bis unter –100 °C überstehen. Die äußerlich einem Stein ähnelnde Licteria-Pflanze stellt die Nahrungsgrundlage der Käfer dar. Dieser Vertreter der kärglichen Mars-Fauna ist meist 20 – 30 cm groß, sandfarben und besitzt eine Schale aus fast reinem Silizium zum Schutz vor UV-Strahlung. Durch ein ausgeprägtes Wurzelgeflecht können einige Pflanzen ihren Standort wechseln.

 Landung auf MarsSchoenheit des MarsFahrzeugspuren

Bernard nimmt zusammen mit dem Geologen Gabriel Schatow und der Ärztin Harriet Hoover an einer Expedition zum Mars teil. Seine beiden Gefährten haben eine besondere Beziehung zum Mars. Harriets früherer Ehemann starb auf dem Planeten an einer Infektion mit marsianischen Mikroben. Gabriels Vater war vor 50 Jahren Teilnehmer an einer der ersten Marsexpeditionen. Das Unternehmen schlug fehl und sein Vater gilt seitdem als verschollen. Der Mars wurde inzwischen zwar vollkommen kartografiert, seine Oberfläche ist aber noch weitestgehend unerforscht. Die neue Expedition soll gezielt nach Hinterlassenschaften der Außerirdischen suchen.

 Licteriapflanze und BohrkaeferStation auf dem Mars

Die Enthüllung der Geheimnisse des Mars geschieht unter teilweise tragischen Umständen. Eine Gruppe Geologen wird von besonders großen und bis dahin unbekannten Bohrkäfer-Exemplaren angegriffen. Diese Bohrkäfer stellen eine ernst zu nehmende Gefahr dar. Den Forschern fehlt es an Ausrüstung. Der starke Panzer der Käfer scheint undurchdringlich und die angriffslustigen Tiere sind oft in Rudeln unterwegs. Den Mitarbeitern der Bodenstation bleibt bei einer Begegnung mit ihnen nur die Flucht. Der Leiter der Marsbodenstation 1, Chefingenieur Lionel Carpenter, muss ständig zwischen dem Streben nach Sicherheit und dem Forscherdrang seiner Mitarbeiter abwägen.

Ausserirdischer RaumfahrerWährenddessen sind Gabriel und Bernard in einem Gebiet mit einer zuvor festgestellten hohen Metallkonzentration unterwegs. Als in einer Marsbodensenke der Boden unter ihnen plötzlich nachgibt, landen sie in einer unterirdischen Anlage. Deren äußerst robuste und altertümlich wirkende Technik ist zum Teil noch intakt. In einem Raum finden die Beiden sogar die tief gefrorene Leiche eines außerirdischen Raumfahrers.

Die Suche nach den Hinterlassenschaften der außerirdischen Besucher führt die Expedition in ein Ringgebirge. Hier entdecken sie einen verfallenen Gebäudekomplex. Der Zweck einiger Bauten kann herausgefunden werden. Die Forscher verwundert wiederum das Fehlen jeglicher Anlagen zur Sterilisation.

 Senke zur Anlage der FremdenDie Aufzucht der Käfer und ihre Verarbeitung zu Nahrungsmitteln erfolgten quasi unter den reellen Umweltbedingungen des Mars. Es wird angenommen, dass die Fremden eine starke, wenn nicht sogar perfekte Immunität gegenüber fremden Mikroben besitzen mussten. Bei der Untersuchung eines großen Bohrkäfers wird festgestellt, dass dieser mit einem irdischen Virus infiziert worden ist. Diesen Krankheitserreger müssen die Fremden von ihren Besuchen auf der Erde mitgebracht und auf dem Mars eingeschleppt haben. Die Krankheit nimmt bei dem Käfer einen lebensbedrohlichen Verlauf.

In der Zwischenzeit erkunden Sonden weitere Teile des Sonnensystems und empfangen in der Nähe des Jupitermondes Ganymed Funksignale. Eine Expedition, an der Bernard und Harriet teilnehmen, macht sich auf den Weg.

Eine Signalquelle wird auf dem Ganymed entdeckt und man entschließt sich zur Landung. Schnell wird den Forschern bewusst, dass sie die Operationsbasis der Fremden aufgespürt haben.

 GanymedLandung auf Ganymed

Die in der verlassenen Station gefundenen Spuren deuten auf eine schreckliche Katastrophe hin. Quartiere voller Leichen lassen auf eine plötzlich ausgebrochene Seuche schließen. Das Fehlen von Anlagen zur Sterilisation hat deren Ausbreitung begünstigt. Ein Teil der Basis wurde anscheinend evakuiert und die Besatzungen flogen zu ihrem Heimatplaneten. Von dort ist aber seit 250.000 Jahren niemand mehr zurückgekehrt …

Hintergrund

»Das Raumschiff aus der Steinzeit« erschien 1978 im Verlag Neues Leben Berlin in der überaus beliebten »Kompass-Reihe«. In dieser Reihe wurden regelmäßig Romane und Erzählungen verschiedener Literatur-Genres veröffentlicht. Vor allem die jugendliche Leserschaft sollte dadurch angesprochen werden. Die Ausgaben kosteten 1,80 Mark bzw. 2,90 Mark und waren sogar reich illustriert.

Der Roman ist eines der ersten Werke des Schriftstellers Rainer Fuhrmann. Mit weiteren Romanen und Erzählungen machte er sich in den folgenden Jahren auf dem Gebiet der Science-Fiction der DDR einen Namen. Seine Bücher waren bei den Lesern sehr begehrt.

Die Handlung des Romans greift das Thema der sogenannten Prä-Astronautik auf. Die Idee, dass außerirdische Raumfahrer unsere Erde vor Jahrtausenden besuchten und dabei den Verlauf der menschlichen Geschichte beeinflussten, war in den 1960er und 1970er Jahren sehr beliebt und wurde in einer ganzen Reihe von Romanen dargestellt. Weitere Beispiele dafür sind die Bücher »Als die Götter starben« und »Nabou« von Günther Krupkat oder »Spuren im Mondstaub« von Paul Ehrhardt.

Persönliche Wertung

Als ich dieses Buch Anfang der 1980er Jahre zum ersten Mal las, war mir nicht bewusst, dass ich damit eins der ersten Bücher von Rainer Fuhrmann in den Händen hielt. Damals fühlte ich mich besonders durch die wunderbar gestalteten Illustrationen Karl Fischers angesprochen. Das Umschlagbild versprach alles, wofür sich ein jugendlicher Leser begeistern konnte: Spannung, Gefahren, Abenteuer auf einem fremden Planeten, interessante Entdeckungen …

Auch heute noch lese ich den Roman mit großem Vergnügen. Der Autor besitzt die wunderbare Fähigkeit, Orte und Situationen so zu beschreiben, dass man sich direkt hineinversetzt fühlt. Die Handlung läuft ab wie in einem Film. Trotz der mittlerweile widerlegten Annahmen zum Leben auf Mars oder anderen Himmelskörpern unseres Sonnensystems ist das Buch bestes »Kopfkino«! Rainer Fuhrmann benötigt für diese überaus spannende Geschichte nur knapp 190 Seiten und ich bedauere am Ende jedes Mal, dass sie schon vorbei ist. Die Handlung ist unwahrscheinlich dicht erzählt. Es gibt so gut wie keine Situation, die langweilig oder überflüssig erscheint.

Die im Buch dargestellte Zukunftswelt ist interessant und durch ihre friedliche Atmosphäre sehr ansprechend. In ihr kennt man keine Waffen. Die Expeditionsteilnehmer überlegen an einer Stelle im Roman, dass sie sich alte Waffen aus einem Museum besorgen müssten, um  die Angriffe  der großen Bohrkäfer besser abwehren zu können. Die Erdbevölkerung lebt wie eine einzige Nation zusammen. Die Produktion von Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern erfolgt genossenschaftlich. Die Technik der Zukunft ist hochentwickelt, Autos werden bspw. durch Leitsysteme gesteuert und Forschung dient zu allererst dem Erkenntnisgewinn.

Die Begegnung mit der außerirdischen Technik kennt keine Aggressivität. Das auf der Erde vor Jahrtausenden gelandete Schiff besitzt nur passive Systeme zur Meteoritenabwehr. Die Fremden kamen als Forscher, nicht als Eroberer. Welch ein großer Unterschied zu vielen aktuellen SF-Büchern und Filmen, die häufig die Invasion unseres Planeten durch fremde Intelligenzen zum Thema haben!?!

Der Autor verzichtet fast vollständig auf die damals in der Ost-SF üblichen Floskeln von Klassenkampf und der Überlegenheit des Kommunismus. Nur an einer Stelle wird dieses Thema ganz kurz angeschnitten. In einem Gespräch überlegen einige Forscher, welche Voraussetzungen eine menschliche Gesellschaft erfüllt haben müsste, um erfolgreich die Grenzen des Sonnensystems überwinden zu können. Diese Situation wirkt etwas aufgesetzt und unpassend, wie nachträglich hineingeschoben. Es ist kein Geheimnis, dass manche Autoren gezwungen waren, sich solcher Tricks zu bedienen, um die Erlaubnis zur Veröffentlichung eines Buches zu bekommen. In einem Punkt hat der Autor aber sicherlich recht. Die Menschheit wird sich erst dann erfolgreich in unserer Galaxis ausbreiten können, wenn alle Menschen friedlich zusammenleben und gemeinsam an dieser anspruchsvollen Aufgabe arbeiten.

Bei aller Überholtheit des Themas Prä-Astronautik und einiger kleiner Unzulänglichkeiten der Handlung ist dieses Buch überaus empfehlens- und lesenswert.

Zum Buch

Autor: Rainer Fuhrmann
Verlag: Verlag Neues Leben 1978
Seitenzahl: 191
Ausgabe: Paperback (Kompass-Reihe Nr. 241)

Quellen

[1] Das Raumschiff aus der Steinzeit – Verlag Neues Leben Berlin 1978

[2] Die große illustrierte Bibliographie der Science Fiction in der DDR, SHAYOL Verlag Ronald Hoppe 2002

[3] Das Science Fiction Jahr 1992, Wilhelm Heyne Verlag München 2004 – herausgegeben von Wolfgang Jeschke; daraus „Imaginator des Ausdenkbaren: Ein Nachruf für Rainer Fuhrmann (1940-1991)“ von Karsten Kruschel, S. 578 – 587

Das Bild Landung auf dem Mars© innovari – Fotolia.com

Das Bild Licteriapflanzen und Bohrkäfer© zora – Fotolia.com und eigene Zeichnung des Käfers nach einem Motiv von Karl Fischer (Buchcover, Das Raumschiff aus der Steinzeit, Verlag Neues Leben Berlin 1978)

Das Bild Fahrzeugspuren auf dem Mars© DX – Fotolia.com

Das Bild Die Schönheit des Mars© Spectral-Design – Fotolia.com

Das Bild Senke zur Anlage der Fremden© DX – Fotolia.com

Das Bild Außerirdischer Raumfahrer© innovari – Fotolia.com und eigene Zeichnung nach einem Motiv von Karl Fischer (Das Raumschiff aus der Steinzeit, Verlag Neues Leben Berlin 1978, S. 84)

Die Bilder des Ganymed und des Jupiter wurden mit der freien Software Celestia erstellt.

Das Bild Landung auf dem Ganymed (bearbeitet): © innovari – Fotolia.com

Das Bild Station auf dem Mars© Andrae Martyna – Fotolia.com