28.03.2023

Zum Inhalt

Titanus

Im 21. Jahrhundert startet das Photonenraumschiff »Kosmos« zu den Hyaden, dem Regengestirn. An Bord befinden sich 240 Männer mit den unterschiedlichsten Berufen. Denn die »Kosmos« wird für mehr als 20 Jahre ihre zweite Heimat sein. Das riesige Raumschiff ist vergleichbar mit einer kleinen Stadt und beherbergt nicht nur Forschungslabore, sondern auch Werkstätten für die verschiedensten Handwerksberufe, Wohnetagen einer Kleinstadt, ein Kino und Parkanlagen.

Nach etwa 10 Jahren Flugzeit erreichen die Raumfahrer die ersten Sterne des Regengestirns und machen sich auf die Suche nach einem Planeten. Denn auf dem Forschungsprogramm stehen Gravitationsexperimente.

Hyaden

Dabei fangen die Geräte der »Kosmos« Radiosignale auf, die von einem nahen Planeten stammen müssen. Das Raumschiff schwenkt in eine Umlaufbahn ein und beginnt mit der Untersuchung.

Erkundungsraketen werden ausgesandt und enthüllen Stück für Stück Teile der Oberfläche des unbekannten Planeten. Plötzlich steigen fremde Flugkörper auf und zerstören eine der Raketen.

TitanusTitanus IIJansen Denkmal

Trotzdem versucht die Besatzung der »Kosmos« mit den offensichtlichen Bewohnern des Planeten, den sie »Titanus« getauft haben, Kontakt aufzunehmen, was schließlich auch gelingt. Die Verständigung erfolgt über die Sprache der Mathematik.

Landungsboote der »Kosmos« bringen einige Wissenschaftler auf die Oberfläche, die von menschenähnlichen Wesen respektvoll empfangen werden. Mit Hilfe kleiner Kommunikationsgeräte gelingt ein Gedankenaustausch, der der Telepathie ähnelt.

Titanus Cover

Nach und nach erfahren die irdischen Forscher Einzelheiten über die Geschichte des Planeten und dass es noch eine zweite bewohnbare Welt im Sonnensystem gibt. Auf diesem Planeten kam es vor vielen Jahren zu einer Revolution und die Vertreter der Ausbeuterkaste flohen auf den Titanus. Voller Hass denken die Nachkommen nun an ihre alte Heimat, wollen deren Bevölkerung vernichten und hoffen auf die Hilfe der irdischen Raumfahrer.

Protagonisten

Als die Besatzung der »Kosmos« den wahren Charakter und die Ziele ihrer Gastgeber erkennt, stellt sie alle Aktivitäten auf Titanus ein. Den Titanen gelingt es jedoch, den Chefingenieur der Expedition in ihre Gewalt zu bringen. In diesem Moment tauchen fremde Flugkörper auf und die Ereignisse überschlagen sich.

Die »Kosmos« erhält den dringenden Befehl, sich schnellstmöglich von Titanus zu entfernen. Von dort starten auf einmal unzählige Raketen mit dem Ziel, den alten Heimatplaneten Titanus II zu bombardieren. Doch dann versagen die Raketenantriebe, die Geschosse werden vom planetaren Gravitationsfeld wieder eingefangen und stürzen auf Titanus. Die Angreifer sind nun selbst dem Untergang geweiht.

Entsetzt beobachten die irdischen Raumfahrer das atomare Inferno aus sicherer Entfernung.  

Sie beschließen, Titanus II zu besuchen. Seine Bewohner bereiten ihren Brüdern im Geiste einen herzlichen Empfang.

Titanus II ist eine schöne und friedliche Welt. Die irdischen Raumfahrer erleben viele spannende Abenteuer und fühlen sich wohl. Doch die schöne Zeit vergeht viel zu schnell. Schon naht der Tag der Abreise zur Erde. Der Abschied fällt beiden Seiten schwer. Es bleibt die Hoffnung, dass das Band der Freundschaft zwischen Erde und Titanus II geknüpft wird und man sich gegenseitig besucht.

Hintergrund

Der Roman »Titanus« ist das zweite Science-Fiction-Werk von Eberhardt del’ Antonio und erschien erstmals 1959 in der »Gelben Reihe«. Weitere Auflagen, auch in anderen Sprachen, folgten.

Die Handlung um das Raumschiff »Kosmos« und seine Besatzung wird im Roman »Die Heimkehr der Ahnen« fortgesetzt.

Persönliche Wertung

Das Buch »Titanus« las ich zum ersten Mal als Schüler der 5. Klasse. Damals beeindruckten mich die spannenden und aufregenden Abenteuer im Weltall und auf fremden Planeten. Besonders haben mir auch die wunderschönen Zeichnungen des Illustrators Adelhelm Dietzel gefallen. Das schicke Fahrzeug des Chefingenieurs Jansen oder auch die Bilder, die die wilde Natur von Titanus darstellten, übten einen starken Eindruck auf meine Phantasie aus.

Jansens Fahrzeug

Noch heute lasse ich mich gerne von den Abenteuern der Kosmos mitreißen. Ich begleite Lazzarri auf seinem ersten Weltraumspaziergang. Fühle mit Jansen, wenn er an sich zweifelt und seine Entscheidungen hinterfragt, oder freue mich über den Fruchtregen auf Titanus II.

Der Roman mag heute in vielen Teilen naiv und überholt erscheinen. Dennoch glaube ich, dass er auch dem heutigen Leser noch gefallen kann. Denn dem Autor gelingt es überzeugend, seinen Figuren Leben einzuhauchen und ihr Denken und Handeln glaubwürdig erscheinen zu lassen. Ihre inneren Konflikte sind ebenso nachvollziehbar wie die Schilderung der daraus resultierenden Konsequenzen.

Den Roman in die Kategorie »Revolutionsexport« einzuordnen, wie es manche Kritiker tun, kann ich nicht nachvollziehen. Denn die Besatzung mischt sich eben nicht in die Belange der Bevölkerung auf Titanus ein und zettelt auch keinen Aufstand an. Dass die irdischen Raumfahrer Parallelen zwischen der dortigen Gesellschaft und der zu Hause auf der Erde ziehen, ist nicht verwunderlich.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass es sich bei diesem Roman um eine frühe und ernste Warnung vor einem Atomkrieg handelt, die gerade heute an Aktualität gewonnen hat. Auf eindrucksvolle und mahnende Weise lässt uns der Autor die Folgen eines nuklearen Konflikts durch die Augen Staffords sehen ([1] S. 286 - 287):

»Auch Stafford starrte auf das Bild des sterbenden Planeten. Er kannte die Wirkung der Atomkräfte genau. In siebzig Kilometer Umkreis fegte die Druckwelle einer einzigen Detonation alles hinweg, entflammte die Glutwelle alles Brennbare, vernichtete die Strahlung alles Lebende. In einhundertvierzig Kilometer Umkreis wirbelten entwurzelte Bäume durch die Luft, zerbarsten die Bauten, brachen Masten. Über dieses Chaos der Trümmer und zerfetzten Leiber raste dann die mörderische Glut, und die Strahlung versengte alles, was noch atmete. Bis zweihundertachtzig Kilometer im Umkreis blieb Todesgefahr durch die Strahlung, gab es Brände durch die Glut, Zerstörungen durch den Druck.

Stafford schloss die Augen, doch die Bilder verfolgten ihn. Er sah Lebewesen in Menschengestalt, die zu Staub vergingen, die wie Fackeln aufflammten oder denen das Fleisch bei lebendigem Leibe vom Skelett fiel. Er hörte Stahl zerreißen, Beton brechen, meterdicke Stämme splittern. Keiner war sicher, keiner blieb verschont, denn der strahlende Staub drang in alle Ritzen, vergiftete die Luft und das Wasser und würde den letzten Titanen finden, wohin er sich auch flüchtete.

Stafford war fast wahnsinnig. Die Erde! Wenn die Erde das gleiche Schicksal träfe - er hatte sie nicht gewarnt!

Um seinen Visionen zu entgehen, öffnete er die Augen. Auf dem Bildschirm wuchsen hutförmige Gebilde aus der Wasserfläche des titanischen Meeres. Sie sahen zierlich aus, mussten aber Hunderte von Kilometern hoch sein.

Er zitterte am ganzen Körper. Nahm denn das Grauen kein Ende? Wenn Sprengköpfe mit Zeitzünder darunter waren, die erst auf dem Meeresboden zündeten, dort, wo der Druck kilometerhoher Wassermassen die Materie verdichtete. Der Wasserstoff des Meeres musste sich entzünden. Unermessliche Wassermassen würden sich in Helium umwandeln, wobei je Gramm neuentstandenen Heliums eine Wärmemenge frei würde, wie man sie durch das Verbrennen von eineinhalb Eisenbahnwagen hochwertiger Kohle gewinnt. Atombrand sagte man dazu, und das hieß: sich selbsttätig fortsetzende, unkontrollierbare und unaufhaltsame Kettenreaktion, anwachsend wie eine Lawine…«

Die Hoffnung des Autors auf eine friedliche Welt hat sich leider nicht erfüllt. Jedoch gelten auch die Worte der deutschen Aphoristikerin Janine Weger:

»Die Hoffnung stirbt erst, wenn du sie aufgibst.«

Zum Buch

Originaltitel:  Titanus
Autor:  Eberhardt del’ Antonio
Verlag:  Das Neue Berlin 1964/1966
Seitenzahl:  352
Ausgabe:  Hardcover mit Schutzumschlag

Quellen

[1] Eberhardt del’ Antonio – Titanus, Das Neue Berlin 1964/1966

[2] Aphorismen.de

[3] Bild Hyaden - deutsche Wikipedia, user: Tdvance~commonswiki

[4] Illustrationen  © Adelhelm Dietzel