04.09.2022

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Notfall Cover ©ГришинAnfang des 21. Jahrhunderts, Ort der Handlung: ein interplanetarisches Schiff auf dem Weg von Titan zur Erde. Wiktor Borissowitsch, der Navigator des Raumschiffs, genießt seine freie Zeit und gibt sich einem Wachtraum hin. Plötzlich wird er vom Summen einer Fliege aufgeschreckt. Sein erster Gedanke ist: ›Das kann nicht sein!‹ An Bord sollte es keine Insekten geben.

Wiktor gelingt es, die Fliege zu fangen. Eilig macht er sich auf den Weg, um seinen Fang dem Piloten Tummer zu präsentieren. Der wirkt von dem Fund eher gelangweilt und ist mit anderen Dingen beschäftigt. Und so beschließt Wiktor, noch schnell bei dem Biologen Malyschew vorbeizuschauen.

Nun betreten Kapitän Stankewitsch und der Flugingenieur Lidin die Steuerzentrale. Während Lidin sich die Fliege zeigen lässt, beschäftigt den Kapitän berechtigterweise die Frage, wie das Insekt an Bord gekommen ist.

Malyschew kommt hinzu und stellt mit einem Blick fest, dass es sich um keine irdische Fliege handelt und er weitere Untersuchungen anstellen müsse. Plötzlich entdeckt Lidin weitere Fliegen im Raumschiff. Sie scheinen sich explosionsartig zu vermehren.

Eine Katastrophe deutet sich an. Eine fremde Lebensform hat das Raumschiff infiziert. Der Biologe untersucht einige Fliegen und verschlimmert die Lage dadurch nur.

Notfall ©ГавриловDie an Bord vorrätigen Insektenbekämpfungsmittel erweisen sich als nutzlos. Gleichzeitig wird entdeckt, dass die Insekten durch den Einsatz von Gewalt nicht getötet werden können. Ihre toten Körper setzen viele kleine Fliegen frei, die rasch heranwachsen. Außerdem verbrauchen die Tiere die Luft im Raumschiff.

Der Kapitän sieht sich gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Die Besatzung muss in Schutzanzüge steigen. Auf seinen Befehl hin wird der Kabinendruck erhöht, danach die Luke zum Weltraum geöffnet. Blitzartig entweicht die Luft und reißt die Insekten mit sich. Ein wiederholtes Fluten des Raumschiffs mit Wasserstoff und anschließende Dekompressionen beseitigen die letzten Reste der »Infektion«.

Die Gefahr scheint gebannt. Malyschew hat jedoch einige Exemplare der Plage in einem Behälter aufbewahrt. Das löst einen heftigen Streit mit seinen Kollegen aus. Sie fordern, er solle die Insekten im Reaktor entsorgen. Der Biologe kann sie jedoch von seinen Beweggründen überzeugen. Als erstes glaubt er verstanden zu haben, wie die fremde Lebensform vollständig vernichtet werden kann. Zum zweiten möchte Malyschew dieses einzigartige, außerirdische, nicht auf Proteinen basierende Leben studieren und zum Wohle der Menschheit einsetzen.

Hintergrund

Die Geschichte wurde von Boris Strugatzki im Sommer 1959 unter dem Einfluss rein prosaischer Umstände erdacht - er kämpfte mit Fliegen in seinem Zimmer in der Herberge des Observatoriums von Pulkowo.

Im September wurde das Manuskript der Geschichte unter dem Kürzel »ТЧ« (seine Bedeutung ist verloren gegangen) von Arkadi Strugatzki kritisiert. Er stellte fest, dass die Trivialität der Handlung nur durch eine originelle, wenn möglich, humorvolle Auflösung gerettet werden könne. Die überarbeitete Version des Textes wurde dann im Buch »Der Weg nach Amalthea« 1960 veröffentlicht. Die Geschichte wurde anschließend mehrfach nachgedruckt und in mehreren europäischen Sprachen sowie auf Japanisch (1974) veröffentlicht. [4]

Persönliche Wertung

Die Geschichte habe ich durch Zufall auf der offiziellen Homepage zum Werk der Autoren Arkadi und Boris Strugatzki entdeckt. Eine deutsche Übersetzung ist mir nicht bekannt.

Auch wenn die Autoren von »Notfall« nicht besonders überzeugt waren, ich fühle mich durch sie wunderbar unterhalten.

Mir gefällt besonders, dass der Humor nicht zu kurz kommt. Wie die einzelnen Protagonisten auf das Erscheinen der Fliegen reagieren, hat mich mehr als einmal zum Schmunzeln angeregt. Die Antwort auf die harmlose Frage:

»Wie geht es unseren Leuten?«

beschreibt es sehr anschaulich.

»Kostja ist stinksauer … Nichts hilft gegen diese Fliegen. Malyschew ist begeistert. Er fühlt sich wie im siebten Himmel…«

Flugingenieur Lidins Verhalten wandelt sich von kindlichem Interesse (»schaute, als hätte er noch nie in seinem Leben eine Fliege gesehen«) in ausgewachsene Panik mit dem Drang zu extremen Handlungen (alles mit Spiritus tränken und abfackeln).

Wunderbar absurd ist auch die Situation als man eine der Fliegen mit einer hochgiftigen Flüssigkeit töten will und die sich davon vollkommen unbeeindruckt zeigt:

»Lethal tötete Insekten fast augenblicklich. Es konnte sogar einen Ochsen töten. Aber das wusste die achtbeinige Fliege anscheinend nicht und war sich dessen auch nicht bewusst…«

Beim Aufzählen der Mittel gegen die Insekten erweist sich der reichlich groteske und witzige Vorschlag des Piloten dann auch noch als die beste Wahl.

Die Begründung des Biologen für die Rettung einiger Exemplare der »Fliegen« erscheint heute recht naiv, ist aber dem damaligen Zeitgeist geschuldet.

So endet die Geschichte mit einem Hinweis auf den Sieg der Wissenschaft über den gesunden Menschenverstand. Ganz unbeschwert und leicht, wie sie begonnen hat, nimmt sie den Leser an die Hand und macht ihm klar, dass die Menschheit es trotzdem schaffen wird, so wie sie es immer geschafft hat. Denn die Menschen streben nach neuen Erkenntnissen und Möglichkeiten, um sich zu entwickeln. Auch wenn sie dabei mehr oder weniger gefährliche Situationen meistern müssen.

Zum Buch

 Originaltitel:  ЧРЕЗВЫЧАЙНОЕ ПРОИСШЕСТВИЕ (Notfall) - in Путь на Амальтею
 Autoren:  Arkadi und Boris Strugatzki
 Verlag:  Молодая гвардия
 Seiten:  18

Quellen

[1] Чрезвычайное происшествие (mit deepl.com übersetzt)

[2] Путь на Амальтею - Сборник, 1960 год

[3] Лаборатория Фантастики - Чрезвычайное происшествие Рассказ, 1960 год (год написания: 1959)

[4] Russische Wikipedia - ЧРЕЗВЫЧАЙНОЕ ПРОИСШЕСТВИЕ

Die Illustration von:

Denkow Alexander Gawrilow - Денков Александър Гаврилов (1925-1972) Космос (София). – 1962. – № 0

Nikolai Grischin - Николай Ильич Гришин (1921–1985) Стругацкий А., Стругацкий Б. Путь на Амальтею. – М.: Мол. гвардия, 1960

Die Veröffentlichung der Zeichnungen erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Vladimir Borisov (Redakteur der Seite »Фантасты братья Стругацкие«).