15.08.2022
Zum Inhalt
Die Besatzung der Tachmasib landet auf der Venus und steht am Denkmal zu Ehren der glorreichen Chius-Expedition. Auf einem grobbehauenen Basaltblock steht ein Abbild des »Knaben«, der damals durch eine Atomexplosion vernichtet wurde.
Während Wladimir Jurkowski und Iwan Shilin zur Inspektion einer Bergwerksfirma aufbrechen, bekommt Alexej Bykow einen Geländewagen ausgeliehen. Zusammen mit Michail Krutikow, dem Praktikanten Jura Borodin und dem Fahrer Wassja Gortschakow besucht er Orte der Chius-Expedition aus dem Roman »Atomvulkan Golkonda«.
Jura und der Fahrer machen sich miteinander bekannt und sprechen über verschiedene Erlebnisse. Gortschakow erzählt von der anstrengenden, aber auch etwas langweiligen Arbeit auf der Venus und wie die Arbeiter ihre Freizeit verbringen. Während ihrer Dienstzeit pendeln die Mitarbeiter zwischen Arbeitsort (Urangolkonda) und Unterkunft, ohne sonst viel vom Planeten mitzubekommen.
Der Fahrer schätzt das strenge Regime der Disziplin und beschreibt, dass nicht alle Freiwilligen, die sich zum Dienst verpflichtet haben, damit klar kommen. Häufig müssen Leute auch wieder zurückgeschickt werden, denen es an Geduld und Einsicht in die Regeln mangelt. Trotz der angenehmen Unterbringung ist der Planet ein gefährlicher Ort und fehlende Disziplin kann tragische Folgen haben.
Bykow und Borodin betrachten die Verhältnisse auf der Venus sehr genau, ziehen jedoch vollkommen unterschiedliche Schlüsse. Der ehemalige Fahrer des »Knaben« freut sich an den Erfolgen bei der »Zähmung« des Planeten und vergleicht sie mit den Verhältnissen damals. Jura dagegen gefällt die raue und gefährliche Natur der Venus überhaupt nicht. Er ist ungeduldig und wünscht sich insgeheim, ›wenn der Planet doch wenigstens dem Mars ähneln würde!‹
Später sprechen der Fahrer und der Praktikant über die Tierwelt des Planeten. Thema ist dabei auch das »Rätsel Tachmasibs«, was für Gortschakow keins mehr ist. Jura ist erstaunt, zu erfahren, dass man aus dem roten Stoff heutzutage Etuis für allerlei Alltagsgegenstände herstellt.
In der Nähe der Urangolkonda beobachtet die Besatzung des Geländewagens verdächtige Bewegungen und empfängt kurze Zeit später einen verzweifelten Hilferuf. Die Gruppe schwärmt zu einer Suchaktion aus. Jura Borodin entdeckt einen Mann, der in ein tiefes Schlammloch gefallen ist und sich daraus nicht befreien kann. Mutig macht er sich an die Bergung, gerät dabei jedoch selbst in Gefahr. Seine Freunde können ihn und den Fremden mit Hilfe eines Seils retten.
Der Unbekannte verhält sich eigenartig und verbirgt anfangs seine Herkunft und den Grund seines Aufenthalts an diesem gefährlichen Ort. Erst Bykow gegenüber offenbart er, von Banditen überfallen worden zu sein. Diese raubten ihm seine über einen längeren Zeitraum gesammelten »Schätze«.
Der Fahrer Gortschakow nennt den Fremden daraufhin einen Dummkopf und fordert ihn auf, sich den Arbeitern des kommunistischen Unternehmens auf der Venus anzuschließen. Darauf reagiert der Glücksritter vollkommen uneinsichtig und regelrecht hysterisch. Er bedauert seinen Verlust, hofft jedoch auf »Massel« bei einer erneuten Suche nach Edelsteinen.
Am Ende fragt der Praktikant, was denn dieses »Massel« sei. Der Fahrer stellt fest, dass für manche Menschen das ganze Glück eine »Masse Kostbarkeiten« sei.
Hintergrund
Die Besatzung der Tachmasib ist zurück auf der Venus. Durch ihre Leistungen, ihren Schweiß und ihr Blut sind hier Städte, Straßen und der Abbau von Mineralien, die die Erde braucht, entstanden. Aber das ist nicht genug für die neue Generation. Sie wollen sich nicht unter Kuppeln und in Raumanzügen vor der rauen Natur der Venus verstecken. Sie wollen den Planeten mit Gärten bepflanzen. [2]
Die Geschichte wurde von Arkadi und Boris Strugatzki ursprünglich für »Praktikanten« geschrieben, dann aber von den Autoren abgelehnt und nicht in den Roman aufgenommen. Seit 2001 wird sie regelmäßig als eigenständige Geschichte veröffentlicht. [2]
So tauchen die Begriffe »Space Pearl Limited« und »Bamberga« schon hier auf. In »Praktikanten« befinden sich Firma und Bergwerk auf einem Asteroiden.
Persönliche Wertung
Auf die Geschichte bin ich beim Lesen der Neuausgabe der Romane »Der Weg zur Amalthea« und »Praktikanten« als Gesamtband »Kapitän Bykow« gestoßen. Etwas von Bykow und den anderen liebgewordenen Charakteren von der »Tachmasib« zu lesen, weckte mein Interesse.
Besonders reizvoll finde ich die Idee, die Überlebenden der »Chius«-Expedition noch einmal die Plätze ihrer Abenteuer besuchen zu lassen und zu beobachten, was sie jetzt, Jahre später, darüber denken.
Wladimir Jurkowski reagiert peinlich berührt, als er das Denkmal zu Ehren der »Ersten« betrachtet. Ihm sind die Erlebnisse von damals wohl nicht mehr so gegenwärtig. Voller Tatendrang geht er ganz in seiner Aufgabe »Generalinspektor« auf und will so schnell wie möglich an den Einsatzort.
Für Alexej Bykow ist der Besuch eine sehr persönliche Angelegenheit. Er hatte der Venus damals den Kampf angesagt und sich ein wenig von der Haltung des damaligen Expeditionsleiters Jermakow anstecken lassen. Mit Befriedigung sieht er, dass die Venus in Diensten der Erde steht und der Urangolkonda etwas der Schrecken genommen wurde.
Michail Krutikow dagegen ist emotional aufgewühlt und die Verluste, die der Sieg über die Venus gekostet haben, sind ihm sofort wieder bewusst. Er ist tief betroffen und zu Tränen gerührt. Seine Empfindsamkeit und sein Mut, seine Gefühle auch offen zu zeigen, machen ihn für den Leser so überaus sympathisch.
Welch ein Kontrast dazu ist der Glücksritter, dem schon fast jegliche Menschlichkeit verloren gegangen ist. Geradezu kriecherisch ist sein Benehmen, ihm fehlt jegliche innere Stärke. Er ist krank an Körper und Geist. Soeben der Gefahr entronnen, gilt sein erster Gedanke dem Verlust seines »Schatzes«. Seinen Rettern gegenüber ist er misstrauisch und greift reflexartig zum Schutz nach seinen letzten Besitztümern.
Dem Leser geht es vielleicht wie Jura Borodin. Er ist erstaunt über Michail Krutikows Tränen, die jedoch nicht nur aus Mitleid mit dem Glücksritter fließen. Alexej Bykow begreift sofort, was den Navigator tief im Innern bewegt und er äußert sich dazu mit deutlichen Worten.
Die große Meisterschaft der Autoren war es schon immer, die unterschiedlichsten Charaktere zu zeichnen, ihrem Handeln große Bedeutung zu verleihen und damit sogar eine kurze Geschichte für ihre Leser interessant zu machen.
Zum Buch
Originaltitel: | ВЕНЕРА. АРХАИЗМЫ (Venus. Archismen) |
Deutscher Titel | Venus. Die Relikte |
Autoren: | Arkadi und Boris Strugatzki |
Verlag: | Golkonda Verlag |
Seiten: | 18 |
Ausgabe: | Paperback |
Quellen
[1] »Фантасты братья Стругацкие« - ВЕНЕРА. АРХАИЗМЫ
[2] Лаборатория Фантастики - ВЕНЕРА. АРХАИЗМЫ
[3] Kapitän Bykow - Arkadi und Boris Strugatzki, Golkonda Verlag 2013
Die Illustration von I. A. Ilinski stammen von der Seite »Фантасты братья Стругацкие: Иллюстрации: Игорь Александрович Ильинский (1925–1989)«.
Sie erschien in: Страна багровых туч – Стругацкий А., Стругацкий Б. – М.: Детгиз, 1959 und Миры братьев Стругацких: Т. 1 [СБТ]. – М.: АСТ; СПб.: Terra Fantastica, 1997.
Die Veröffentlichung der Zeichnungen erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Vladimir Borisov (Redakteur der Seite »Фантасты братья Стругацкие«).