26.06.2015

Ein ProgressorProgressoren im Genre Science-Fiction sind Angehörige einer hochentwickelten Zivilisation. Sie sollen den Fortschritt weniger entwickelter Zivilisationen unterstützen.

Somit steht jede Progressortätigkeit in starkem Gegensatz zur sogenannten Hauptdirektive des Star-Trek-Universums.

Der Begriff Progressor wurde von Arkadi und Boris Strugatzki erfunden. Auch in anderen Werken der SF-Literatur tauchen ähnliche Ideen auf. David Brins Uplift-Zyklus hingegen konzentriert sich auf die Darstellung eines sogenannten biologischen Liftens (Erhebens), das mit entsprechenden psychologischen und gesellschaftlichen Prägungen einhergeht.

Die Progressoren der Strugatzkis sind Agenten des Instituts für Experimentelle Geschichte (IEH), das der Kommission für Kontakte zu anderen Zivilisationen (KomKon-2) unterstellt ist. Sie arbeiten nur auf Planeten mit menschlichen Zivilisationen. Eine Beeinflussung nichtmenschlicher Rassen, wie den Leonidern oder Kopflern ist nicht vorgesehen. Zu diesen besteht jedoch diplomatischer Kontakt.

Progressoren weisen besondere physische und psychische Fähigkeiten auf. Sie sind reaktionsschnell, verfügen über große Körperkräfte und überlegene Fähigkeiten der Täuschung und Verstellung. Ihre Tätigkeit unterliegt strengster Geheimhaltung. Sie sind oft lange Zeit auf sich allein gestellt. Für die Arbeit eines Progressors kommen nur die klügsten und vertrauenswürdigsten Personen in Betracht.

Die Idee hinter dem Progressortum ist, die Geschichte »gerade zu machen«, d. h. den Weg von einer primitiven zu einer fortschrittlichen Gesellschaft (gemäß den Bedingungen der Mittagswelt) zu erleichtern. Sie beruht auf der Basistheorie über die Entwicklung humaner Gesellschaften (eine Interpretation der Theorie des »Historischen Materialismus« von Karl Marx und Friedrich Engels) und bestimmt, was ist »in der Geschichte gut oder schlecht, richtig oder falsch«.

Progressoren sollen Fehlentwicklungen unterbinden, die durch historische Prozesse oder unvermeidliche Krisen entstehen könnten. Jedoch zögern sie nicht zu töten, um zu überleben oder bestimmte Ziele zu erreichen. Das widerspricht der sonst üblichen Denkweise des Mittagszyklus, gemäß dem jedes intelligente Wesen ethisch als gleichwertig zu betrachten ist. Aus diesem Grund mögen die meisten Menschen Progressoren nicht.

In »Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein« sind die Mitarbeiter des Instituts (wie Don Rumata) nur Beobachter. Die Historiker glauben, die Rettung der Wissenschaftler und Dichter vor den Schergen Don Rebas sei ihre wichtigste Aufgabe. Ihrer Meinung nach sind Forscher und Denker die Grundlage für jede gesellschaftliche Entwicklung gemäß der Basistheorie. Echte Progressoren tauchen erst in »Die bewohnte Insel« und »Ein Käfer im Ameisenhaufen« auf.

Die Wanderer haben scheinbar andere Zivilisationen (einschließlich die der Erde) »weiterentwickelt« und waren (sind) dabei den Menschen in jeglicher Hinsicht überlegen, sowohl in der Heimlichkeit als auch in der Effizienz.

Leonid Gorbowski glaubt, dass der Grund für die menschliche Progressortätigkeit ein sehr schlichter ist:

»… überhaupt befasst sich im ganzen Weltall allein und nur unsere Menschheit damit, weil wir eben so eine Geschichte haben, weil uns unsere Vergangenheit leidtut. Wir können sie nicht mehr verändern, und so versuchen wir wenigstens, anderen zu helfen, weil wir uns ja seinerzeit nicht selbst helfen konnten. Da kommt unser ganzes Progressorentum her! Die Wanderer aber, selbst wenn ihre Vergangenheit der unseren ähnlich war, haben sie so weit hinter sich gelassen, dass sie sich nicht einmal mehr daran erinnern.« ([2], S. 660)

Progressor-Projekte im 22. Jahrhundert

In der Mitte des 22. Jahrhunderts führt das Institut für Experimentelle Geschichte (IEH) einige bedeutende Projekte durch:

Das Projekt Saula

Nie wirklich in einem Buch beschrieben, wird dieses Projekt vermutlich 2141 direkt nach der Entdeckung des Planeten Saula und der Reaktivierung des IEH begonnen.

Das Projekt Arkanar

Ungeachtet der Tatsache, dass Arkanar im Jahr 2134 entdeckt wurde, startet dort erst 2141 eine richtige Progressor-Operation. Da sich die Zivilisation zu diesem Zeitpunkt bereits bereits auf einer der Renaissance vergleichbaren Stufe befindet, besteht die Progressortätigkeit zumeist im Schutz und Retten von Wissenschaftlern und Künstlern, die von ihren reaktionären Regierungen verfolgt werden. Zusätzlich ist Arkanar der Planet, auf dem die Basistheorie des Feudalismus geprüft und überarbeitet werden soll. Das Arkanar-Projekt ist dafür bekannt, bei den dort eingesetzten Agenten schwere psychologische Traumata auszulösen. Das bedeutendste Ereignis auf Arkanar ist als das »Arkanar-Massaker« bekannt. (Das Konzept des Arkanar-Massakers stammt nicht von den Strugatzkis, sondern wurde von Sergej Pereslegin erfunden, der eine Fortsetzung zu deren Roman schrieb.)

Das Projekt Giganda

Wie Arkanar wird Giganda 2136 entdeckt, lange bevor dort eine offizielle Progressor-Operation (2143) startet. Im Jahr 2153 können die Progressoren den dort herrschenden Krieg beenden, der wahrscheinlich anfing, lange bevor die Forscher der Erde auf dem Planeten landeten. Kornej Jašmaa, eines der »Findelkinder«, nimmt 2177 am Giganda-Projekt teil.

Das Projekt Saraksch

Nach seiner Entdeckung im Jahr 2148 wird Saraksch sofort Teil eines Progressor-Projekts. Vier Jahre später übernimmt Rudolf Sikorski, Chef der KomKon-2, persönlich die Leitung des Projekts. Neun Jahre lang versuchen Progressoren, die Spannungen zwischen den rivalisierenden Staaten des Planeten zu verringern. Jedoch werden ihre Anstrengungen vom unwissenden Maxim Kammerer im Jahr 2157 zunichte gemacht. Die Kammerer-»Krise« ist ein weiterer ernster Misserfolg des IEH.

Kopfler im Weltraum

Dies ist ein Saraksch-Unterprojekt. Es beginnt sofort nach Aufnahme der diplomatischen Kontakte mit den Kopflern. Eine Gruppe von Progressoren wird von Lew Abalkin (ein Kopfler-Experte und eines der »Findelkinder«) angeführt. Sie machen der Kynoiden-Rasse irdische Raumfahrttechnologien zugänglich und helfen ihnen, eine dauerhafte Botschaft auf der Erde zu gründen. Das Projekt startet im Orbit über Pandora.

Projekt Arche

Es beginnt 2161 direkt nach der Entdeckung der Panta. Bei dem Unternehmen handelt es sich um eine kosmische Hilfsaktion für die dort lebende Zivilisation. Deren Sonne wird sich innerhalb kurzer Zeit zu einer Supernova entwickeln und alles Leben vernichten. Die Pantianer leben auf einer relativ niedrigen Entwicklungsstufe und sind nicht in der Lage, sich selbst zu helfen, ahnen zudem auch nichts von der drohenden Katastrophe. Auf dem vorgesehenen Arche-Planeten wird jedoch eine empfindungsfähige außerirdische Rasse entdeckt. Die Progressoren müssen daraufhin einen anderen Zielplaneten suchen. Ab da ändert sich die Zielstellung des Projekts: Nun soll Kontakt zu der Arche-Lebensform aufgenommen werden. In den Büchern ist nirgendwo zu lesen, wie (und ob) das Arche-Projekt jemals vollendet wird.

Operation Tote Welt

Die Absicht dieser Operation (Beginn 2162) ist, die Rest-Bevölkerung der Esperanza von ihrer Heimatwelt zu retten. Der Planet wurde durch eine globale ökologische Katastrophe verwüstet. Zudem evakuierte eine fremde Macht (die Wanderer) fast die gesamte Bevölkerung des Planeten durch interspatiale Tunnel. Die Überlebenden weisen nun jede Hilfe brüsk zurück. Wahrscheinlich glauben sie, die Progressoren seinen Agenten der Wanderer. Lew Abalkin und sein Kopfler-Begleiter Wepl-Itrtsch nehmen an dieser Operation im Jahr 2162 teil.

Nach 2162 sind anscheinend auf Druck der öffentlichen Meinung keine neuen Projekte des Instituts für die Experimentelle Geschichte mehr zugelassen worden.

Quellen

[1] Die englische Wikipedia – der Artikel Progressors (Stand 06.03.2015) übertragen ins Deutsche und ergänzt um einige Informationen.

[2] Gesammelte Werke 1 – 3,  A. u. B. Strugatzki, WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN 2010

Die Zeichnung von Valter Edgar stammt von der Seite »Фантасты братья Стругацкие: Иллюстрации: Valter Edgar«. Sie erschienen in der Zeitschrift Pioneer (Tallinn). – 1980. – №№ 1-12; 1981. – № 1.

Die Veröffentlichung der Zeichnung erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Vladimir Borisov (Redakteur der Seite »Фантасты братья Стругацкие«).