08.08.2023
Zum Inhalt
Sergej Pawlowitsch Nikitin, ein junger Paläontologe, leitet die Ausgrabung eines riesigen Knochenfeldes mit Überresten von Dinosauriern im Süden der UdSSR.
Den Forschern läuft die Zeit davon. Wasser und Nahrung sind knapp.
Mirjam, ein junges Mädchen, das an den Grabungsarbeiten teilnimmt, schlägt Nikitin vor, die nahe gelegene Trinkwasserquelle durch eine Sprengung zu erweitern. Durch die Explosion wird die frische, glatte Oberfläche einer Pechlagerstätte freigelegt.
Als Nikitin vor dem gesamten Grabungsteam einen Vortrag über das mesozoische Zeitalter hält, kommt es zu einem Zwischenfall. Vor den Augen der Zuhörer erscheint über der bläulich schimmernden Erdpechschicht der Geist eines Dinosauriers.
Das plastische und lebensechte Bild der Echse hinterlässt bei den Anwesenden einen starken Eindruck. Auch Nikitin ist überwältigt und gleichzeitig erschüttert, da er sich diese Erscheinung nicht erklären kann. Zudem ist die optische Täuschung nur von kurzer Dauer.
Schon eine kleine Veränderung des Lichteinfalls der Sonnenstrahlen lässt die Illusion wieder verschwinden. Alle Versuche, das Bild wieder sichtbar zu machen, bleiben erfolglos.
Zurück in seiner Heimat riskiert Nikitin seinen Ruf in der wissenschaftlichen Welt, als er versucht, über seine ungewöhnliche Beobachtung zu berichten. Niemand glaubt ihm. Alle unterstellen im, er sei einer optischen Täuschung erlegen.
In der Folge beschäftigt sich der junge Paläontologe mit den Grundlagen der Fotografie. Er findet heraus, dass Niepce in einem Brief an Daguerre, beide gelten als Erfinder der Fotografie, schon in den 1830er Jahren beschrieben hat,
»dass sich die Lackierung (die Asphaltschicht) der Platte unter dem Einfluss des Lichts veränderte und bei vorübergehender Beleuchtung so etwas wie das Diapositiv eines Bildes ergab, auf dem man alle Schattierungen der Farben sehr deutlich sehen konnte«.
Nikitin erkennt, dass eine glatte Bitumenschicht (Pechschicht) in gewisser Weise zur Bildspeicherung geeignet ist und die Natur sich selbst fotografieren kann.
Bestärkt durch diese Erkenntnis sucht Nikitin noch einmal das Gespräch mit seinen Kollegen. Er kann sie nicht überzeugen. Daraufhin begibt er sich allein auf die Jagd nach Orten, an denen die Chance groß ist, ähnliche Phänomene zu beobachten.
Diese Arbeit, die sich über mehrere Jahre hinzieht, ist von zahlreichen Rückschlägen gekennzeichnet. Gelegentlich stößt er für kurze Zeit auf Bilder der Vergangenheit. Sie sind jedoch sehr flüchtig und es gelingt ihm nicht, sie in irgendeiner Weise fotografisch festzuhalten.
Schließlich hat er eine zündende Idee. Er erkennt, dass es ein Fehler ist, sich immer nur auf die Kraft der Augen zu verlassen.
Fotozellen können das Licht viel besser einfangen. Deshalb lässt er sich von einem Ingenieur einen speziellen Apparat bauen. Mit diesem Gerät hat Nikitin endlich Erfolg. Er kann ein klares Bild einer prähistorischen Szene empfangen und sogar fotografieren.
Außerdem erreicht ihn ein Brief von Mirjam, über den er sich sehr freut. Sie hat die gemeinsame Zeit bei den Ausgrabungen nicht vergessen und suchte seitdem auf eigene Faust nach geeigneten Orten, um »Schatten der Vergangenheit« zu beobachten.
Hintergrund
»Schatten der Vergangenheit« ist eine Science-Fiction-Kurzgeschichte von Iwan Jefremow, die 1945 in der Zeitschrift »Красноармеец« erschien. Die deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1946 im SWA-Verlag, dem Verlag der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland.
Mir selbst liegt die Ausgabe von 1954 aus der »Kleinen Jugendreihe« des Verlages Kultur und Fortschritt Berlin vor. Umschlaggestaltung und Illustrationen stammen von Rudi Lehmann.
Der Erfinder der optischen Holografie, Juri Nikolajewitsch Denissjuk, erwähnte in einem Interview, dass er durch die Lektüre dieser Geschichte (nach anderen Quellen die Erzählung »Sternenschiffe«) zur Idee der Holografie inspiriert wurde.
Persönliche Wertung
Die Lektüre des Büchleins erfordert heute nicht wegen des Inhalts, sondern wegen seines Zustandes größte Vorsicht. Fast 70 Jahre fordern ihren Tribut. Die Aufmachung mit einigen kleinen Illustrationen und einem aussagekräftigen farbigen Umschlag finde ich aber auch heute noch gelungen.
Natürlich ist dem heutigen Leser bewusst, dass der beschriebene Prozess der Entstehung prähistorischer Landschaftsbilder nur eine Fiktion sein kann. Dennoch hat diese Vorstellung ihren Reiz und regt die Phantasie an.
Neben der durchaus gelungenen Einbettung wissenschaftlicher Fakten in eine spannende Handlung sind noch einige interessante Details hervorzuheben. Das Bild, das der Autor von seinem Haupthelden zeichnet, ist überzeugend und erstrebenswert.
Nikitin arbeitet zielstrebig, beharrlich und leidenschaftlich daran, eine Theorie zu entwickeln, die ihm eine Erklärung für seine Beobachtung liefert. Konsequent verfolgt er sein Ziel und lässt sich auch von Rückschlägen nicht unterkriegen. Unerschrocken sucht er die Diskussion mit seinen Kollegen, hört sich ihre Argumente an und erkennt die Schwächen seiner Argumentation. Dass er zunächst keinen Erfolg hat, lässt ihn noch konzentrierter weiterarbeiten und schließlich Erfolg haben.
Er schaut auch über seinen wissenschaftlichen Tellerrand hinaus, eignet sich zusätzliches Wissen an und sucht Hilfe in technischen Fragen. Der Forscher gewinnt nicht nur eine neue Erkenntnis, sondern aus seinen Überlegungen entsteht ein neues Instrument, das für die wissenschaftliche Arbeit genutzt werden kann.
In seinem Erfolg vergisst Nikitin nicht, dass er Teil einer Gemeinschaft ist und dass die Arbeit vieler Helfer ihn dorthin gebracht hat, wo er heute steht:
»Selbstlos, ohne nach dem Ziel zu fragen, hatten ihm alle geholfen, den Schatten der Vergangenheit zu finden und festzuhalten, nur weil sie in ihm, dem tüchtigen Gelehrten, die Wissenschaft hoch achteten.«
Welch positive Darstellung wissenschaftlicher Arbeit im Gegensatz zu unserem heutigen Zeitgeist!
Im Nachwort wendet sich Iwan Jefremow an seine jungen Leser und ermuntert sie, sich selbst auf die Suche nach den Spuren der Vergangenheit zu machen.
Und natürlich finde ich es schön, von einem Mädchen zu lesen, das durch ihre Intelligenz und ihren Fleiß die wissenschaftlichen Entdeckungen des Forschers unterstützt und dadurch seine Zuneigung gewinnt.
Ich kann diese kleine Geschichte jedem Leser, der sich für klassische Science Fiction interessiert, nur empfehlen.
Zum Buch
Originaltitel: | Schatten der Vergangenheit |
Russischer Titel: | Тень минувшего |
Autor: | Iwan Jefremow |
Übersetzer: | Walter Philipp |
Verlag: | Kultur und Fortschritt Berlin 1954 |
Seitenzahl: | 68 |
Ausgabe: | Heft der »Kleine Jugendreihe« |
Quellen
[1] Schatten der Vergangenheit – Iwan Jefremow, Verlag Kultur und Fortschritt Berlin 1954
[2] Звездные корабли – Iwan Jefremow, Детгиз 1953
[3] Тень минувшего – Russische Wikipedia (Stand 08.08.2023)
[4] Die große illustrierte Bibliographie der Science Fiction in der DDR, SHAYOL Verlag Ronald Hoppe 2002
Die Illustrationen Expedition, Dinosaurier zu sehen und Am Fluss wurden von © Viktor Isaakowitsch Tauber gezeichnet, einem berühmten Grafiker, Buchkünstler und Mitglied der Union der Künstler der UdSSR.
Die Bilder vom Saurierskelett und Blick auf urzeitliche Welt stammen von © Rudi Lehmann.
Die Informationen und Illustrationen der russischen Originalausgabe stammen von ПУБЛИЧНАЯ БИБЛИОТЕКА.
Informationen und Bilder dürfen laut ПУБЛИЧНАЯ БИБЛИОТЕКА unter folgender Voraussetzung genutzt werden:
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